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Konflikt als Kompass für Veränderung:
Warum die digitale Transformation neue Arten der Konfliktbewältigung von uns verlangt

Wer an der “digitalen Transformation” arbeitet, weiß: Wo Wandel passiert, entstehen Spannungen. Und wo Spannungen nicht bearbeitet werden, entstehen Konflikte. In der Verwaltung sind sie allgegenwärtig, doch oft fehlt uns das Handwerkszeug, sie konstruktiv anzugehen.

  • Ein Beispiel auf organisationaler Ebene: Die Kollaboration über Fachbereiche hinweg war schon immer herausfordernd. Wenn die jeweiligen Teams unterschiedliche Werte (hierarchisch versus selbstverantwortlich) und Arbeitsweisen (traditionell versus modern) haben, dann wird die Zusammenarbeit schwierig, manchmal sogar schmerzhaft. Häufig wird die Kollaboration beendet, statt sich mit dem Wertekonflikt auseinanderzusetzen.
  • Ein Beispiel auf individueller Ebene: Die Einführung neuer, agiler Arbeitsweisen verlangt von Mitarbeitenden tiefe Veränderung in den eigenen Arbeitsweisen und Werten. Zum Beispiel, muss der Begriff Verantwortung neu interpretiert und gelebt werden - weg von einer Übertragung der Zuständigkeit, hin zu einer gefühlten (Selbst)Verantwortlichkeit. Statt sich mit dem eigenen Unwohlsein außerhalb der Komfortzone auseinanderzusetzen, wird versucht, die Situation “auszusitzen”.

Wenn die Zahl der Konflikte wächst, während unsere Kompetenzen im Umgang mit ihnen oft noch begrenzt sind, dann bleibt die Wirkung und Effektivität unserer Arbeit - aber auch unsere mentale Gesundheit - auf der Strecke. Belastungen, die durch ungelöste Konflikte entstehen, werden oft “mit nach Hause” genommen und können dort zu schlechtem Schlaf, Magenschmerzen oder schlechter Stimmung am Abendbrottisch führen.

Aber warum tut sich die Verwaltung so schwer im Umgang mit Konflikten?

Menschen tendieren dazu, in Konflikten auf vertraute und eingeübte Taktiken zurückzugreifen. Auch Organisationen funktionieren auf diese Art und Weise. Es gibt unterschiedliche Arten im Umgang mit Konflikten – jede hat ihren Platz. Entscheidend ist, sie bewusst zu wählen, statt reflexartig in vertraute Muster zu fallen.

Lose / Lose: Wenn alle verlieren.

Klassischerweise werden Konfliktsituation dann so genannt, wenn es nur noch Verlierer gibt. Aber auch das Ignorieren und Vertagen von Konflikten gehört dazu. 
Ein Beispiel: Mehrere Fachabteilungen müssen gemeinsam entscheiden, finden aber keine Einigung – also wird das Projekt verschoben.
Das kann funktionieren, wenn ein Thema geringe Priorität hat oder Ressourcen fehlen. Das Risiko: Der Konflikt bleibt ungelöst und kehrt später – meist verstärkt – zurück.

Win–Lose / Lose–Win: Wenn einer gewinnt und einer verliert.

Eine Seite setzt sich durch, die andere fügt sich. Daher hört man als Antwort auf Konfliktsituationen: Es braucht klare Zuständigkeiten! Wenn klar ist, wer entscheidet - so die Annahme - dann gibt es keinen Konflikt. Doch Digitalisierung lässt sich nicht in Zuständigkeitsgrenzen pressen. Sie erfordert Kooperation, Vernetzung und gemeinsames Entscheiden – und genau dort entsteht Reibung. Die Taktik funktioniert, wenn schnelle Entscheidungen notwendig sind. Die Kehrseite: Beziehungen und Vertrauen werden langfristig beschädigt.

Win-Win: Wenn beide gewinnen.

Eine Win-Win-Situation ist das Ergebnis einer Suche nach einer Lösung, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Anders als bei einer Kompromisslösung, wird der Fokus nicht auf das Nachgeben beider Parteien gelegt. Die Strategie ist es, stattdessen gemeinsame Interessen und Ziele zu identifizieren. Der Aufwand ist hoch, die Auseinandersetzung intensiv. Aber es ist die beste Lösung einen Konflikt anzugehen, wenn Zeit und Offenheit vorhanden sind, denn gegenseitiges Vertrauen und Kooperation können so gestärkt werden.

Vier Ansatzpunkte für eine konfliktfähige Verwaltung

  1. Die richtigen Fähigkeiten
    Mitarbeitende brauchen geeignete Fähigkeiten, Spannungen nicht zu vermeiden, sondern konstruktiv anzusprechen. Der erste Schritt ist, die Bereitschaft, Emotionen im Arbeitsalltag wahrzunehmen und das eigene Konfliktverhalten - zum Beispiel mit einer Führungskraft, die sich als Coach versteht - zu reflektieren.
  2. Die richtigen Prozesse
    Wer agile Arbeitsweisen konsequent anwendet, nutzt Prozesse und Formate, um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Eine “Retrospektive hilft, Spannungen in der Projektarbeit offen zu besprechen und gemeinsam - als Team - Verantwortung für die Lösung zu übernehmen. Wenn Konflikte auf Arbeitsebene nicht gelöst werden können, braucht es klare Eskalationswege und ggf. Eskalationsgremien. Eskalation ist kein Zeichen von Scheitern, sondern Ausdruck ernsthafter Arbeit, die Veränderung bewegt.
  3. Die richtige Kultur
    Mitarbeitende und Führungskräfte, die den Mut haben, Konflikte offen anzusprechen, statt sie unter den Teppich zu kehren, brauchen Sichtbarkeit. Wenn sie ihre Erfahrungen teilen, werden sie zu Vorbildern – und zeigen, dass offener Umgang mit Konflikten Teil einer lernenden Organisation ist.
  4. Die richtige Haltung
    Die Art und Weise, wie wir auf Konflikte schauen und sie bewerten, verändert sich in der konfliktfähigen Verwaltung radikal: Konflikte sind kein persönliches Versagen, sondern Teil der Entwicklung. Eine konfliktfähige Verwaltung versteht Konflikte nicht als Störung. Spannungen sind ein Gradmesser für Relevanz und Wirkung: Wo Konflikte entstehen, ist etwas in Bewegung und Veränderung wird sichtbar.

Konflikte sind unvermeidlich, wenn sich Organisationen verändern. Sie weisen darauf hin, dass alte Antworten nicht mehr passen und neue Wege gefunden werden müssen. Sie sind kein Hindernis, sondern ein Kompass. Sie zeigen uns, wo wir hinsehen müssen, um weiterzukommen und die Verwaltung wirksam zu gestalten. 

Welche Erkenntnisse haben Sie im Umgang mit Konflikten gesammelt? Ich würde mich über einen Austausch über simone.carrier@~@digital-agentur.de freuen!